Zum Holocaustgedenktag am Schlossgymnasium
27.01.1945 – das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wird von der Roten Armee befreit. Seit nunmehr 25 Jahren ist diese Befreiung in Deutschland ein offizieller Gedenktag. Wir denken an die Opfer des Nationalsozialismus. Im Jahr 2005 haben dann die Vereinten Nationen diesen Tag als Gedenktag für die Opfer des Holocausts eingeführt. Unter diesem Namen „Holocausttag“ gedenken wir auch am Schlossgymnasium jedes Jahr an diesem 27.01. den Opfern in den Konzentrationslagern während der Diktatur der Nationalsozialisten.

Unter normalen Bedingungen hätten sich am heutigen 27.01. alle Schüler*innen der Klassenstufe 9 in der Mensa versammelt, um unter einem bestimmten Thema diesen Gedenktag zu würdigen. Uns als Schulgemeinschaft ist es auch in diesen Zeiten wichtig, diesen Tag nicht einfach an uns vorüberziehen zu lassen. Wir wollen innehalten, um auf die Gräueltaten der Nazidiktatur aufmerksam zu machen. Wir wollen innehalten, um uns bewusst zu machen, was diese, vor über 70 Jahren geschehenen Verbrechen für uns persönlich und für uns als Gesellschaft auch noch im Jahr 2021 für eine Bedeutung haben.
Der Zweite Weltkrieg mit der grausamen Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden ist nun schon über 70 Jahre vergangen. Immer weniger Zeitzeugen können über diese Zeit berichten. Dabei habe ich gleichzeitig den Eindruck: Je weiter das Ende des Zweiten Weltkrieges von der Gegenwart entfernt ist, desto wichtiger werden Gedenktage wie der Holocausttag. Diese Gedenktage rufen uns unsere Verantwortung für die Gegenwart mit Blick auf die Geschichte ins Gedächtnis. „Nie wieder Krieg“ lautete nach dem Zweiten Weltkrieg die eine, „Nie wieder Auschwitz“ eine zweite Botschaft.
Um diese Sätze verstehen und heute leben zu können, muss man sich die Geschichte vergegenwärtigen. Dieser Verantwortung stellen wir uns beim jährlichen Gedenktag am Schlossgymnasium. Wir wollen die Lehren aus der Vergangenheit in der Gegenwart lebendig werden lassen, um die Zukunft in unserer Gesellschaft gestalten zu können. „Wer sich an die Vergangenheit nicht erinnert, ist verdammt sie zu wiederholen“. Dieses Zitat des spanischen Philosophen George Santayana beschreibt die Notwendigkeit, dass wir als Schule hier Verantwortung übernehmen.
Dass wir als Gesellschaft, als Schule diese Kultur des Erinnerns pflegen müssen, wird leider auch in diesen Tagen der Pandemie deutlich. Wir erleben Menschen, die sich auf Demonstrationen gegen die Coronabeschlüsse der Regierung mit einem „Judenstern“ äußern. Wir erleben Menschen, die sich den „Judenstern“ auf die Jacke nähen, weil sie sich in Verbindung zu den Juden im Dritten Reich durch eine vermeintliche Impfpflicht stigmatisiert sehen.
Dass diese Menschen aus historischer Sicht völlig falsch liegen, dass diese Menschen die Gräueltaten gegen die jüdische Bevölkerung auch nicht im Ansatz richtig einordnen können, stellt uns als Schule in die Verantwortung, das historische Geschehen des Holocausts in Erinnerung zu rufen. Keine Schülerin und kein Schüler des Schlossgymnasiums soll ohne diesen geschichtlichen Horizont die Schule verlassen. Dafür tragen wir als Schulgemeinschaft Verantwortung.
Aber nicht nur die Schule als Gemeinschaft, jeder einzelne von uns trägt Verantwortung. Oft habe ich diesen Satz seit meiner Schulzeit im Zusammenhang mit dem Holocaust gehört. Zum ersten Mal hat mich dieser Satz in Israel, dem Land der Juden, ins Herz getroffen. Vor drei Jahren besuchte ich in Jerusalem die wohl weltweit bedeutsamste und beeindruckteste Gedenkstätte, die den Holocaust zum Thema macht: „Yad Vashem“. Diese Gedenkstätte dokumentiert in ihrem Museum die Barbarei, die sich in unserem Land, in Deutschland von 1933-1945 zugetragen hat. Man steht vor Bildschirmen und hört, wer für dies verantwortlich ist: „The Germans“.
Als Deutscher in Israel zu stehen und zu hören, dass „The Germans“ diese Taten zu verantworten haben, kann einen nicht kaltlassen. Auch wenn „The Germans“ aus dem Dritten Reich schon gestorben sind, tragen wir mit der Nationalität „deutsch“ im Reisepass eine Verantwortung, dass „Nie wieder Auschwitz“ in Gegenwart und Zukunft gelebt wird.
Damit wir diese Worte nicht nur hören, sondern auch verstehen, zünden wir Kerzen an, die unser Herz erleuchten sollen. Symbolisch haben wir auf dem Schulhof heute Morgen Kerzen angezündet. Diese sind in der Form des Davidsterns aufgestellt. Der Davidstern ist das Symbol für das Judentum. Möge er uns ein Mahnmal sein, möge der Stern uns mutig gegen Ausgrenzung, Hass und Antisemitismus auftreten lassen.
Hans-Ulrich Lay
